Author(s) / Source(s): A.T. Kearney / Creditreform
Die Unternehmensberatung „A.T. Kearney“ hat zum zweiten Mal eine Studie erstellt, die Auskunft darüber gibt, in welchem Maße Unternehmen auf dem Markt sind, die als „Zombies“ bezeichnet werden müssen.
Als Definition für diese lebenden Toten greifen die Analysten auf eine OECD-Festlegung zurück. Das Unternehmen muss älter als zehn Jahre und in drei aufeinanderfolgenden Jahren nicht in der Lage sein, die Zinsen für seine Finanzierung aus dem operativen Ergebnis zu decken. Dabei kann sich der Status eines Zombies im Laufe der Zeit verändern. Der Betrieb kann eingestellt werden, das Unternehmen geht in die Insolvenz oder Liquidation. Das Zombie-Unternehmen wird verkauft, lebt dann als Tochter der Muttergesellschaft weiter oder wird sogar vollständig integriert. Und schließlich kann ein Zombie-Unternehmen sich wieder erholen und am Markt tätig werden, ohne dass die Zinslast die operativen Gewinne übersteigt.
Analysiert wurden die Jahresabschlüsse aus dem Jahre 2021 von etwa 70.000 global gelisteten Unternehmen. Die Ergebnisse zeigen, dass es sich bei diesem Phänomen nicht um eine Randerscheinung handelt. Zombies machen weltweit einen Anteil von 4,7 Prozent aller gelisteten Unternehmen aus. Und die Zahl der Zombies steigt noch weiter. Bereits 2021 waren auf der Basis der Zahlen und Bilanzen von 2020 ein Anstieg von rund 10 Prozent registriert worden. Gegenüber dem Jahr 2010 schließlich bleibt eine 2,5-facher Zuwachs der Zombie-Unternehmen festzuhalten. Untersucht wurden Unternehmen in 150 Ländern – alle Volkswirtschaften registrierten einen Anstieg des Zombie-Anteils an der Gesamtheit der Unternehmen. Dieser Anteil nahm global zu, er bewegte sich 2010 noch bei 0 bis 5 Prozent und betrug 2021 schließlich 4 bis 6 Prozent der gelisteten Unternehmen.
Unheimlicher Zuwachs
Das Wachstum des Anteils von Zombie-Unternehmen wurde auch dadurch verursacht, dass immer weniger Unternehmen tatsächlich durch die Insolvenz oder den Verkauf ausscheiden bzw. gesunden. 2021 waren 639 neue Zombies hinzugekommen. Auf der anderen Seite standen dem aber nur zwei Betriebe gegenüber, die verkauft wurden sowie 83, die ein Insolvenzverfahren in Anspruch nahmen und immerhin knapp 370, die sich erholten und eine gesunde betriebliche Tätigkeit wiederaufnahmen.
Hervorzuheben ist die Tatsache, dass nur etwa 5 Prozent der Zombies den Weg in die Insolvenz gehen. Hier wird ein Defizit der Insolvenzordnungen weltweit deutlich, die das Merkmal der Überschuldung kaum in Rechnung stellen und stattdessen auf die Zahlungsunfähigkeit setzen. Diese aber kann mit Hilfe vieler Maßnahmen, wie etwa Factoring, Lieferantenkredite oder kurzfristiger Liquiditätszuflüsse noch lange aufrechterhalten werden. Die Aussetzung der Antragspflicht in Deutschland bei drohender Insolvenz im Zeichen der Corona-Krise gießt noch Öl ins Feuer der Zombies. Zombie-Unternehmen gewähren zu lassen, ist dagegen gefährlich für die gesamte Volkswirtschaft. A.T. Kearney rechnet vor, dass die Fehlallokation von Kapital, das in den Zombie-Unternehmen gebunden ist, sich auf rund 500 Mrd. US-Dollar summiert. Anzumerken ist, dass diese gigantische Summe einem erheblichen Ausfallrisiko unterliegt. Die Fehlallokation des Kapitals durch die Zombies lässt ihre Zahl wachsen in Jahren mit einem schwächelnden BIP und einer abnehmenden Rendite von Staatsanleihen. Freies Kapital sucht angesichts geringerer Renditen von Anleihen eine Investition, es kommt zur Umschichtung des Geldes, wovon Zombies nur profitieren können.
Und wenn die Zinsen steigen?
Billiges Geld ermöglicht nicht nur eine höhere Staatsverschuldung, sondern auch Betrieben, die nicht profitabel sind, das Überleben. Im Zeichen der Inflation, die im laufenden Jahr die meisten wirtschaftlich wichtigen Länder getroffen hat, rücken die Zentralbanken mehr und mehr von ihrer Nullzinspolitik ab. So hat die US-Notenbank „Fed“ bereits ein Niveau von 2,5 Prozent erreicht – sie lässt verlautbaren, dass dies nicht das Ende des Anstiegs ist, so dass Schätzungen von 3,5 Prozent wohl realistisch sind. Und auch die Europäische Zentralbank hat sich nach langem Zögern in die Zinswende begeben. Nach zwei Erhöhungen im Sommer liegen die Leitzinsen nun bei 1,25 Prozent. Auch hier ist ein Ende der Erhöhungen nicht abzusehen.
Die Unternehmensberater haben nun einen Stresstest angestellt, der die Frage beantwortet, wie sich eine Erhöhung der Zinslast auf die Unternehmen auswirken würde. Dieser „Zinsstressfaktor“ würde zu einer markanten Erhöhung der Anzahl von Zombie-Unternehmen führen. Auszugehen für den Stresstest ist zunächst, dass die Zinslast um den Faktor 1,5 steigen würde. Die Berater haben ausgerechnet, dass alleine bei dieser Steigerung, die bereits eingetreten ist, die Zahl der Zombies 2022 gegenüber dem Vorjahr um 17 Prozent steigen würde. Bei einem Anstieg der Zinsen um den Faktor 2,0, was selbst in Europa nach den Erhöhungen des Leitzinses noch möglich ist, käme es zu einem Zuwachs bei den Zombies um 38 Prozent. So würde der Anteil der Zombie-Unternehmen beim Faktor 1,5 in Europa 6,2 Prozent aller gelisteten Unternehmen betragen und beim Faktor 2,0 auf 7,1 Prozent ansteigen.
Besonders bedenklich stimmt, dass ein Blick auf die Branchen mit einem hohen Anteil von Zombies, diese vor allem den Immobiliensektor betreffen. Immobilienentwickler weisen 9 Prozent Zombie-Unternehmen auf, diversifizierte Immobilienunternehmen sogar etwa 11 Prozent. A.T. Kearney macht klar: „Sofern die Zinsen gegenüber 2021 weiter steigen, sind bis zu 15 Prozent der Unternehmen im Immobiliensektor „zombiefiziert“, also jedes siebte börsennotierte Unternehmen in dieser Branche.“ Die Finanzkrise von 2008 hat gezeigt, welche Risiken von der Immobilienwirtschaft für die gesamte Weltwirtschaft ausgehen können. Auch in Deutschland ist die Branche bereits betroffen, weil die Kreditzinsen für die Bauherren deutlich gestiegen sind. Der Bauboom hierzulande war auch Ausfluss der günstigen Finanzierung in diesem Wirtschaftsbereich.
Abschließend geben die Unternehmensberater angesichts der drohenden Risiken klare Handlungsempfehlungen. An erster Stelle zu nennen ist, dass es einfach darum geht, Bilanzen zu lesen. Ist das EBIT kleiner als der Zinsaufwand, müssen die Alarmglocken läuten. Aber auch die Betroffenen selbst müssen ihre Rechnungslegung zur Kenntnis nehmen, um die Schwachstellen aufzudecken und einen Turn einzuleiten.
Quellen: A.T. Kearney / Creditreform
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