Autor(en) / Quelle(n): Henryk Hielscher und Melanie Bergermann / WiWo
In den vergangenen Wochen haben mehrere Immobilienprojektentwickler Insolvenz angemeldet. Nun zieht auch die Düsseldorfer Gerchgroup die Reißleine. Es geht um insgesamt vier Milliarden Euro Projektvolumen.
Der nächste große Immobilienprojektentwickler ist insolvent. Die Gerchgroup hat nach Informationen der WirtschaftsWoche beim Amtsgericht Düsseldorf für mehrere Holdinggesellschaften Insolvenzanträge in Eigenverwaltung gestellt. Die operativ tätigen Projektgesellschaften sind dem Vernehmen nach nicht von der Insolvenz betroffen.
Gerch ist ein bundesweit agierender Projektentwickler, der auf den Bau von Büroimmobilien und Quartiere in deutschen Großstädten spezialisiert ist. Die neun aktuellen Projektentwicklungen umfassen nach Angaben auf der Unternehmenshomepage „ein Gesamtvolumen von rund 4 Milliarden Euro“. Zu den aktuellen Projekten zählen unter anderem die Umnutzung eines ehemaligen Bahnareals in Augsburg, ein Wohn- und Behördenzentrum in Nürnberg und das Laurenz Carré, ein Gebäudeareal in der Kölner Innenstadt.
Die Hintergründe des Insolvenzantrags blieben zunächst offen. Das Unternehmen ließ eine Anfrage der WirtschaftsWoche zur finanziellen Lage und möglichen Sanierungsplänen bislang unbeantwortet.
Die jahrelang boomende Bau- und Immobilienwirtschaft schwächelt seit einiger Zeit. Die gestiegenen Baupreise in Kombination mit den stark gestiegenen Zinsen hatten zuletzt bereits mehrere Pleiten in der Immobilienentwickler-Branche nach sich gezogen. Unter anderem meldeten Gesellschaften wie Euroboden in München, die Nürnberger Project Immobilien und die Düsseldorfer Immobilienunternehmen Centrum und Development Partner Insolvenz an. Geraten Immobilienentwickler in finanzielle Schwierigkeiten, treffen die Folgeschäden nicht nur Investoren und Käufer. Häufig bleiben die beauftragten Baufirmen auf Rechnungen sitzen.
Branchenkrise mit Folgen
Die Krise hat auch Auswirkungen auf den Wohnungsbau. Zwischen Januar und Juni wurden 111.500 neu zu bauende Wohnungen genehmigt – 30,8 Prozent oder 49.600 weniger als vor Jahresfrist. Dabei ging die Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser um gut ein Drittel auf 27.000 zurück. Bei den Zweifamilienhäusern sank die Zahl genehmigter Wohnungen sogar um mehr als die Hälfte (-53,4 Prozent) auf 7700. Bei Mehrfamilienhäusern kam es zu einem Rückgang von mehr als einem Viertel (-27 Prozent) auf 72.400.
„So schlecht die Zahlen sind, sie zeigen noch immer nicht die ganze Wahrheit, die auf uns zukommt“, warnt Andreas Mattner, Präsident des Lobbyverbands Zentraler Immobilienausschuss (ZIA). Projektentwickler beendeten oft ihre Vorarbeit mit einer Baugenehmigung. Gebaut werde dann aber nur, wenn es kein Minusgeschäft sei. Doch das drohe aktuell häufig: „Leider führen die Summe aller Faktoren und insbesondere die explosionsartig gestiegenen Kreditkosten zum Ruhen dieser Projekte.“
Das Bauministerium räumt bereits ein, dass die Regierung weit entfernt ist von dem erklärten Ziel, dass jährlich 400.000 zusätzliche Wohnungen entstehen. 2022 waren nur 295.300 Wohnungen gebaut worden. Ohne verlässliche Investitionsimpulse müssten die Wohnungsbaufirmen früher oder später Stellen streichen, warnte ZDB-Experte Pakleppa. „Was das für den Wohnungsmarkt und die vielen anderen Mega-Bauaufgaben der Zukunft bedeutet, will sich keiner ausmalen.“
Von der Krise sind aber nicht nur die Projektentwickler betroffen. Nachdem die Zinsen drastisch gestiegen waren, mussten die großen, börsennotierten Vermieter wie Vonovia oder LEG den Wert ihrer Häuser herabsetzen. Weitere Abschreibungen drohen. Einzelne Gesellschaften haben bereits Schwierigkeiten an frisches Geld zu kommen.
Anleger agieren dementsprechend vorsichtig. In diesem Jahr haben sie beispielsweise bislang weniger als halb so viel Geld neu in Immobilienfonds investiert als im selben Zeitraum des vergangenen Jahres. „Derzeit ist zumindest eine deutliche Verlangsamung der Mittelzuflüsse zu beobachten“, sagte jüngst Peter Barkow, Gründer und Chef des Beratungsunternehmens Barkow Consulting. „Im ersten Halbjahr sind sie im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent zurückgegangen. Das seien die niedrigsten Zuflüsse in einem ersten Halbjahr seit 2011.
In den Jahren der Tiefstzinsen waren Immobilienfonds beliebt. Weil im Gegenzug die Immobilienpreise stiegen, erwirtschafteten die Fonds nennenswerte Renditen. Immobilien-Spezialfonds für institutionelle Investoren haben von 2012 bis Ende Juni dieses Jahres den Nettowert des angelegten Vermögens um 371 Prozent auf 176 Milliarden Euro vermehrt, wie Barkow unter Verweis auf Rohdaten der Bundesbank sagte.
Nach Daten des Branchenverbands BVI legen offene Immobilienfonds das Geld ihrer Anleger überwiegend in gewerblich genutzten Gebäuden an: 55 Prozent in Büros und Praxen, 22 Prozent in Handel und Gastronomie, der Rest entfällt unter anderem auf Hotels und Lagerhallen. Wohngebäude machen laut BVI nur einen Anteil von vier Prozent aus.
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